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Ärztliche Psychotherapiepraxis Hamburg - Viola Rescher

Schlagwort: Eigenverantwortung

„Der Schmetterling“ – Warum Helfen nicht nur Segen, sondern auch Fluch sein kann

Geschichte

„Ein Mann entdeckte in seinem Garten einen Schmetterlingskokon. Fasziniert beobachtete er, wie sich ein kleines Loch öffnete und allmählich die Fühler des Insekts hervorkamen. Mehrere Stunden lang versuchte der Schmetterling sich heraus zu kämpfen. Doch irgendwann gab er auf.
Aus Mitgefühl entschied der Mann, das kleine Wesen nicht seinem Schicksal zu überlassen. Mit einer Schere vergrößerte er vorsichtig die Öffnung und der Schmetterling krabbelte mit Leichtigkeit aus dem Kokon. Doch seine Flügel waren klein und schrumpelig und sein Körper geschwollen. Er konnte nicht fliegen.“
Beim Lesen dieser Geschichte fiel mir die tiefe, bittere Erkenntnis einer Patientin ein: „Ich habe meine Tochter lebensunfähig erzogen. Ich habe ihr alles abnehmen wollen. Ich wollte, dass es ihr besser geht als mir. Ich habe schon als kleines Kind viel zu schwere Aufgaben übernehmen müssen, die mich einfach überforderten und in mir Hilflosigkeit und Überforderung ausgelöst haben. Ich wollte nicht, dass sie sich so fühlt wie ich damals.“

 

„Fluch“ des Helfens

Der Mann, sowie meine Patientin hatten mit ihrem Hilfsangebot die besten Absichten. In diesem Fall ist ihre Hilfe jedoch ein „Fluch“. Beide greifen ungefragt bzw. im großen Maße in den natürlichen Entwicklungsweg ihres Gegenübers ein und nehmen ihm die Chance, psychische und körperliche Muskeln zu entwickeln, um als erwachsenes Wesen eigenständig ihr Leben zu meistern. Sie halten ihr Gegenüber dadurch klein und abhängig. Sie vertrauen ihm nicht, dass es in der Lage ist, schwierige Situationen, Widerstände aushalten und lösen zu können. Vielleicht, weil sie aus eigenen Erfahrungen in Kindheit und Jugend viel Hilflosigkeit und Überforderung erlebten und entsprechend nicht genug Selbstvertrauen entwickeln konnten.

 

Motive

Wie bei allen Dingen im Leben macht auch beim Helfen die Dosis das Gift. Das Zuviel oder Zuwenig des Helfenden sagt mehr über ihn selbst aus als über denjenigen, dem geholfen wird. Es gibt viele Motive, die einen dazu bewegen können, ohne Auftrag und / oder ungeachtet der eigenen Grenzen zu helfen. Hier ein kleiner Auszug:

  • Projektion der eigenen Hilflosigkeits-Erfahrungen auf den anderen, obwohl dieser sich gar nicht hilflos fühlt
  • Wahrgenommen, anerkannt und wertgeschätzt zu werden bei zu geringem Selbstwertgefühl
  • Bindungssicherung – „Nur wenn ich etwas tue, helfe, gehöre ich dazu, schaffe Sicherheit, werde geliebt.“
  • Prokrastination „Verschieberitis“- Sich im Übermaß um andere kümmern, um aus Versagensangst, Perfektionismus oder anderen Beweggründen nicht die eigenen Dinge in Angriff nehmen zu müssen

 

Ausweg

Deshalb ist es wichtig, sich immer wieder selbst zu reflektieren. Welches Motiv habe ich?  Verantwortung beginnt mit Eigenverantwortung, mit dem Anspruch, ein kompetenter Helfer, anstatt ein hilfloser Helfer zu sein. Dazu bedarf es Fertigkeiten des einfühlsamen und achtsamen Erkennens eigener Grenzen, des Nein –  Sagen – Lernens aus Liebe zu sich selbst und Vertrauen und Liebe zum Anderen. Bis zu welchem Punkt kann ich helfen? Habe ich überhaupt einen Auftrag vom anderen? Dadurch gebe ich mir  selbst Raum, Entlastung und Kontrolle in meinem eigenen Leben und das Gefühl, selbstbestimmt zu sein. Ich begegne dem anderen auf Augenhöhe und demonstriere ihm den Respekt und das Vertrauen in seine Fähigkeiten. Ich helfe ihm auf diese Weise, Herausforderungen anzunehmen und fliegen zu lernen.

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Perspektivwechsel – In jedem negativen Erlebnis liegt auch ein verborgenes Geschenk

„Es sind nicht die Dinge an sich, die uns beunruhigen, sondern die Bedeutung, die wir ihnen geben.“

Manchmal muss man tief und lange nach dem Geschenk suchen, das in einem negativen Erlebnis verborgen liegt. Erst mit genügend emotionalem Abstand zum Geschehenen wird es erkennbar. Leider ist es so, dass besonders negative Erfahrungen unsere Selbsterkenntnis fördern und damit unser Bewusstsein „Wer bin ich? Wie ticke ich? Was will ich im Leben?“  erweitern.

 

Wie ein tief verdrängter Herzenswunsch durch ein traumatisches Erlebnis wieder lebendig wurde

Eine Klientin, in Mitteldeutschland lebend, wurde mit ihrem Baby 12:00 Uhr mittags nach dem Einkaufen auf dem Nachhauseweg Opfer eines Raubüberfalles. Beide sind zum Glück weitgehend unbeschadet davon gekommen. Es hat die Klientin merklich beruhigt, dass sie über den Vorfall im Rahmen unserer telefonischen Beratung sprechen konnte. Auch war es wichtig, sich Zeit für sich selbst zu nehmen, sich Sicherheit und Geborgenheit zu geben. Eine gute Idee war, zu ihren Eltern nach Bayern zu fahren und einfach über das Geschehene zu berichten. Auch beruhigte sie die Tatsache, das es völlig natürlich ist, sich so kurz nach dem traumatischen Ereignis bis maximal 4 Wochen emotional aufgewühlt zu fühlen, die Bilder des Überfalles noch immer vor Augen zu haben.

Nach 8 Tagen meldete sich die Klientin wieder bei mir. Ihr ging es deutlich besser. So bestand kein Anhalt für eine Trauma – Folgestörung. Im Gespräch konnte eruiert werden, dass ihr durch den Überfall die Endlichkeit ihres Lebens bewusst geworden war und dadurch plötzlich ein lang verdrängter Wunsch wieder lebendig wurde. In Tränen der Befreiung offenbarte sie mir ihren Herzenswunsch, mit ihrer Familie nach Bayern zu ihren Eltern zu ziehen, da sie ein Familienmensch sei und sie sich auch nicht vorstellen könne, dort wo sie jetzt lebe, ewig zu leben.

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Akzeptanz

Zunächst war es wichtig, die Symptome nach dem Raubüberfall (Angst, Bilder, Intrusionen, Übererregbarkeit) als etwas Natürliches zu akzeptieren. Die Klientin berichtete, dass besonders ihr Umfeld ihre Angst noch verstärkt habe, in dem es sofort eine schwere psychische Störung dahinter vermutete, die einer Krankenhauseinweisung bedarf. Dadurch bekam die Klientin Angst vor der Angst. Angst vor ihren  natürlichen psychischen Reaktionen, die ein Hinweis darauf sind, dass ihr Körper das Trauma verarbeitet.

 

Perspektivwechsel

Sehr heilsam war es, das Geschehene aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten, dem Geschehenen einen anderen Sinn, einen anderen Rahmen zu geben. Dieser Rahmen kann das bisherige Leben sein. Wie gehe ich mit meinen Werten, Bedürfnissen, Träumen, Wünschen um? In welchem Maße gebe ich mir in meinem eigenen Leben Raum? Durch den Raubüberfall wurde der Klientin die Endlichkeit ihres eigenen Lebens bewusst. Er rüttelte ihr geordnetes, scheinbar sicheres und angepasstes Alltagsgefüge durcheinander und brachte ihren lang verdrängten Herzenswunsch intensiv zum Vorschein. Sie erkannte, dass sie im erhöhten Maße dazu neigt, eigene Bedürfnisse und Wünsche zu Gunsten anderer zurückzunehmen.

 

Das verborgene Geschenk

Ihr erlangtes tieferes Bewusstsein für den Wert und den Sinn ihres eigenen Lebens gibt ihr die Kraft und die Erlaubnis, ab jetzt für sich selbst verantwortungsvoller und mit gutem Gewissen einzustehen.

 

 

Selbstliebe – der Schlüssel zur seelischen Gesundheit

Selbstliebe – ein Wort, das uns überall begegnet. In Büchern, Zeitschriften, in Vorträgen, Seminaren und ja, natürlich auch in der Psychotherapie. Welche tiefere Bedeutung verbirgt sich hinter diesem einfachen Wort? Wie fühlt sich Selbstliebe an? Wie praktiziert man sie? Ist sie gleichzusetzen mit Egoismus? Eine Gesellschaft aus sich selbst Liebenden mutiert zu einer narzisstischen Gesellschaft. Ist das wirklich so?

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